Klatsch und Tratsch

Interview – Miriam Restivo über sich und die Träumerin

Bilder wurden gestellt von Miriam Restivo.
Titelbild Hintergrund: Miriam Restivo; Schrift: Juliane Buser

  1. Ein großes ‚Hallo‘ an alle Weltenarchivbummler, die gerade in dieses Interview hineinstöbern. Wie immer haben wir hier im Großen Atrium genug Platz für neugierige Augen – also nehmt Platz und lauscht dem Austausch zwischen der künstlerisch-kreativen Autorin Miriam Restivo und mir.Miriam, schön, dass du da bist! Willkommen im Weltenarchiv!
    Was würdest du gerade machen, wenn ich dich nicht mit diesem Interview unterbrochen hätte?
    Vielen Dank, schön mal hier zu sein Plüm! Wahlweise schreiben, zeichnen und dabei Hörbuch hören oder Videospiele zocken würde ich sagen. Oder ich wäre mit meiner Mutter oder Schwester unterwegs oder würde mit meinen Patenkindern Blödsinn machen
  2. ‚Die Träumerin und das Geheimnis des Weltenfressers‘ ist anders als die Bücher die wir bisher kennen. Magst du ein wenig mehr dazu erzählen?
    Das Einzigartigste dürfte sein, das Mijura in der Geschichte Briefe an ihre zukünftiges Ich schreibt. Das kommt daher, weil ich seit ich zwölf war genau das getan habe. Ich habe mir damals Sorgen gemacht, weil ich immer gern erwachsen sein wollte, der Entscheidungsfreiheit wegen. Aber die Erwachsenen, die ich kannte, hatten keinen Funken Fantasie. Und ich machte mir damals Gedanken, wie das sein konnte, da sie doch auch einmal Kinder gewesen waren. Ich dachte, das es vielleicht so langsam geschieht, dass man es kaum merkt. Außerdem habe ich mich gefragt ob wir uns eigentlich mögen würden, wenn mein erwachsenes und mein zwölfjähriges Ichs uns begegnen könnten. Also habe ich Briefe geschrieben, in denen ich der älteren Miriam schrieb, was sie für mich bewahren sollte. Kurzgesagt, meine Fantasie, die Fähigkeit zu träumen und über die Welt zu staunen. Ich habe hier sogar noch einen liegen, den ich erst 2022 lesen darf. Diese Briefe waren auch schon für die erste Version der Träumerin 2014 die Inspiration. Auch wenn sie damals nicht in der Geschichte vorkamen, waren sie doch der Grund wie die Geschichte und die Thematik der Geschichte überhaupt entstanden ist. Eine Liebeserklärung an die Fantasie, ein Buch in dem es um das Erschaffen von Welten und Geschichten geht. Eine Phantastik-Geschichte die aber viel mit unserer Wirklichkeit zu tun hat. Davon abgesehen habe ich die Geschichte nicht nur geschrieben, sondern auch illustriert.
  3. Wie kamst du auf die Idee, dein Werk mit Illustrationen auszustatten?
    Ich zeichne im Grunde zu jeder Geschichte Illustrationen, mindestens Charakterdesigns, aber auch Schlüsselszenen. Als Kind habe ich sogar aus genau diesem Grund mit dem Zeichnen angefangen, um die Welten und Charaktere aus meinen Geschichten vor Augen zu haben. Außerdem liebe ich illustrierte Bücher. Ich glaube ich würde es gar nicht schaffen, eines meiner Werke unillustriert zu lassen, selbst wenn es nur etwas ganz einfache ist. In einer anderen Geschichte wird der Text zum Beispiel von schwarzen Gekrakel übermalt, weil der Charakter dort etwas irre wird. Ich bin da glaube ich etwas zu sehr Grafikerin, um da nicht konzeptionell mit Bild und Text zu spielen. Oder mit Material. Es gibt Bücher, die sind ganz schwarz und man muss mit einem Feuerzeug nahe dran gehen, damit die weiße Seite und der Text sichtbar wird. Bei Kälte verblasst das wieder. So und dazu jetzt eine Geschichte die mit Feuer und einem magischen Buch zu tun hat, vielleicht sogar etwas interaktives, wo der Leser selbst gefordert ist. Allein der Gedanke macht mich ganz wuschig!
  4. Ist die Träumerin dein erstes Werk?
    Der Vorgänger der jetzigen Träumerin war mein erstes veröffentlichtes Werk. Der heißt „Die Träumerin und die graue Stadt“ und ist von 2014. Ich habe damals meinen Abschluss als Grafikdesignerin gemacht und wir konnten uns dafür ein Projekt aussuchen. Ich hätte wie die meisten anderen vielleicht Websites oder etwas Produktmäßiges gemacht. Aber ein großartiger Dozent meinte, es sei unsere größte Chance etwas umzusetzen, dass uns entspricht und hinter dem wir wirklich stehen, bevor wir ins Berufsleben gehen. Und das wir über uns hinauswachsen sollen. Also habe ich mit einer illustrierten Geschichte ein eher unübliches Projekt hingelegt und so ist mein erstes richtiges Buch entstanden. Danach konnte ich dann nicht mehr aufhören. Nachdem ich durch andere meiner Projekte einiges dazugelernt hatte, habe ich dann die Träumerin völlig neu aufgelegt und da ist sie nun.
  5. Wie lange dauerte die Erschaffung deiner einzigartigen Welt?
    Wenige Tage, da wir im Semester nicht viel Zeit für die einzelnen Schritte hatten. Da die Welt damals ursprünglich für einen animierten Kurzfilm von wenigen Minuten gedacht war, war sie in der ersten Version aber auch nicht so komplex. Das hat sich dann über die Jahre erweitert. Manches ist jetzt völlig anders, unglaublich viel ist dazu gekommen. Allein an Wesen, die ich mir ausgedacht habe. Anderes, wie zum Beispiel der geflügelte Schlüssel den Mijura besitzt, sind erhalten geblieben. Den gibt es übrigens wirklich. Er ist ein Schmuckstück das ich vor langer Zeit aus Einzelteilen selbst gebastelt habe. Das ist bei einigen meiner Geschichten so, dass es Dinge gibt, die tatsächlich existieren. Auch das Torbuch gehört dazu. Es ist eigentlich ein Fotobuch aus dem Jahr 1900 und ich habe es halb kaputt in einem Antiquariat gefunden, das ich damals Wunderkammer genannt habe. Es gibt übrigens einen ähnlichen Laden mit dem Namen in Mijuras Geschichte… Wie du siehst mische ich gern in verschiedenen Realitäten herum. Die Welten in Mijuras Geschichte sind aber mit anderen meiner Welten und auch anderen meiner Geschichten verknüpft. Man könnte also sagen ich bin nicht wirklich fertig und das Erschaffen ist ein kontinuierlicher Prozess.
  6. Weltenfresser – es hört sich so düster an. Wie kamst du auf diese Figur?
    Stimmt! Ehrlich gesagt gab es das Wort lange vorher und ich mochte es einfach. Es hörte sich nach etwas an, dass eine tiefere Geschichte in sich verbirgt. Als ich dann den Antagonisten für die Träumerin erschuf, die ja eine Weltenbauerin ist, passte das Wort. Wenn es Menschen gibt, die Geschichten und Welten erschaffen gibt es auch jemanden, der sie vernichtet, wo es Leben gibt, gibt es auch Tod. Oder vielleicht doch nicht? Was geschieht mit Geschichten am Ende des Buches? Was wird aus Ideen, die nicht zur Wirklichkeit werden? Diese Fragen sind Teil von Mijuras Abenteuer. Eben „Das Geheimnis des Weltenfressers“.
  7. In deiner erschaffenen Welt besitzen Bücher Magie. Daraus lässt sich ableiten, dass du gerne liest und die Magie der Geschichten genießt. Richtig?
    Welche Bücher besitzen für dich die meiste Magie? In welche Bücher tauchst du gerne ab?

    Gerne lesen ist noch recht milde ausgedrückt. Ich kann ohne zu übertreiben sagen, dass ich gut die Hälfte meiner Kindheit und Jugend in der Bücherei verbracht habe. Ich kenne wenig, dass mehr Magie besitzt als Geschichten. Schon, dass doch jeder von uns seine eigene Geschichte in der großen Geschichte der Welt ist. Und wenn wir uns dann noch Welten und Geschichten ausdenken…seit ich ein Kind war habe ich nicht aufgehört darüber zu staunen.
    Ich liebe vor allem komplexe Geschichten ohne klares gut und böse Schema. Und Geschichten, die einfach anfangen, bis sich noch so viel mehr auftut, dass man ganz verrückt im Kopf wird. Selbst wenn dabei Charaktere, die man mag, sterben und man den Autor gleichzeitig liebt und hasst. Das habe ich derzeit mal wieder bei – nein keinem Buch – einem Videospiel. Die Geschichte darin hat mich mental und emotional förmlich zerstört. Ich liebe sie!
  8. Deine Protagonistin ist eine Träumerin. Wieviel Träumerin steckt in dir?
    Ich bin Träumerin pur. Das würde denke ich jeder der mich kennt so unterschreiben. Ich wurde ja oft genug so genannt. Wie in der Geschichte auch war das selten positiv gemeint. Träume sind Schäume, Träumer sind keine Macher sondern bauen nur Luftschlösser. Das übliche eben. Ich bin stolz darauf eine zu sein, aber ich hätte damals gern gehört, dass das ich das auch ruhig sein soll. Deshalb ermutige ich Träumer in der Geschichte, dass aus ihren Ideen Wirklichkeit werden kann und das sie eine großartige Gabe haben.
  9. Wie wichtig ist dir Fantasie?
    Sie ist leider oft als Alltagsflucht verschrien. So wie Träumer nur Luftschlösser bauen. Aber für mich gehört Fantasie zu den wertvollsten Fähigkeiten, die wir haben. Ohne Vorstellungskraft gibt es keine Erinnerung oder Möglichkeiten für die Zukunft. Und auch ein miteinander ist nicht möglich, weil die Empathie fehlt sich vorzustellen, was der andere fühlen könnte. Ich hatte seit meiner Kindheit schon eine übersprudelnde Fantasie und daran hat sich nichts geändert. Das könnte ich gar nicht, meine Fantasie zu gebrauchen ist wie atmen.
  10. Was erträumst du dir für dein Buch?
    Ich hoffe, dass das Buch die Leser begeistert, dass es mehr ist, als eine kurzweilige Lektüre. Ich denke, das Schönste was meinem Buch passieren könnte wäre, zu den Lieblingsbüchern eines Menschen zu gehören. Das wäre fantastisch.
  11. Autorin sein – auch ein Traum für mich. Wie kamst du dazu, eine Autorin werden zu wollen?
    Ich hatte immer eine übersprudelnde Fantasie, habe Geschichten erzählt und mir Dinge ausgedacht. Bücher waren eine Wunderwelt für mich und so habe ich schnell lesen und schreiben gelernt. Als das erstmal erobert war gab es kein Halten mehr. Ich hatte auch früh einen Computer und so waren nicht nur Notizhefte sondern auch digitale Dokumente bald ein Geschichtensammelsurium. Ich konnte einfach nicht anders als zu schreiben, die Geschichten sprudelten aus mir hervor. Der Traum Schriftstellerin zu werden ergab sich da fast von selbst.
  12. In deinem Werk besitzen die Bücher Magie. Welche Welten bereist du gerne?
    Ich bin zum Beispiel gern in Phantasien, Zamonien und J.K. Rowlings Zaubererwelt. Aber im Grunde lässt sich das schwer sagen, ich möchte am liebsten alle Welten bereisen und entdecken die es gibt. Das gilt übrigens auch für unsere Welt. Es gibt so erstaunliche Orte und ich möchte gern alle sehen und kennen lernen.
  13. Wie sieht dein Arbeitsplatz aus? Ordentlich? Chaotisch? Anders?
    Chaotisch und anders trifft es wohl ganz gut. Neben einem großen Bildschirm und Spielkonsole, Laptop und Grafiktablett tummeln sich Süßigkeiten und eine Teetasse. Außerdem Stifte, Papier und sonstiger Zeichenkram. Irgendwo dazwischen liegt im Zweifelsall mindestens eine Katze. Ich sollte vielleicht hinzufügen das mein Schreibtisch eigentlich ein Esstisch ist, den ich zweckentfremdet habe, weil er so schön ist. Er ist also recht groß. Überquellen tut er trotzdem.
  14. Das Erste, was du morgens machst, ist…?
    Mich nochmal rumdrehen. Ich träume in der Regel ziemlich viel und oft sogar komplexere Geschichten. Ich versuche alles, was davon während des Aufwachens übrig bleibt Revue passieren zu lassen. Einfach weil es mich sehr interessiert, was sich mein Unterbewusstsein so ausdenkt, sobald ich kein Mitspracherecht habe.
  15. Wenn du dich mit drei Worten beschreiben müsstest, welche wären es?
    Fantasievoll, freiheitsliebend und kreativ.
  16. Wie viele Charaktereigenschaften der Träumerin stecken in dir bzw. was hat die Träumerin von dir übernommen?
    Mijura hat im Gegensatz zu mir keine Höhenangst, dafür aber meinen miserablen Orientierungssinn. Und sie ist wie ich sehr introvertiert. Ich würde allerdings sagen, dass in ihr wenige Charaktereigenschaften von mir stecken, sondern eher Erfahrungen, die ich in meiner Kindheit und Jugend gemacht habe.
  17. Bald schon startet die Weihnachtszeit. Eine Zeit voller Magie. Wie verbringst du den Dezember?
    Ich fliege im Dezember oft nach Sizilien, wo ich geboren bin. Mein Vater sowie der italienische Zweig meiner Verwandtschaft lebt dort.
  18. Was denkst du: Sollten Menschen heutzutage mehr träumen? Ja/nein und warum?
    Ich denke nicht, dass es um mehr oder weniger geht, sondern um die Qualität und den Wert, den wir dem träumen zugestehen. Wir haben so viel Filme und Bücher in denen Fantasie eine Rolle spielt. Trotzdem, wenn Kinder oder Jugendliche anfangen zu schreiben oder zu zeichnen, wenn sie als Berufsziele etwas in diesem Bereich wählen oder einfach generell viel Fantasie haben, ist das Umfeld oft nicht begeistert. Die Welt ist oft eingeteilt in das was „nur“ einen Unterhaltungswert hat und das was einen anderweitigen Nutzen besitzt. Es gibt aber eben mehr als diese stumpfen Kategorien und mehr als die Frage ob etwas Leistung bringt oder nicht. Meine Antwort wäre also: Die Menschen sollten einander mehr zum träumen ermutigen. Sie sollten vor allem Kinder und Jugendliche für Kreativität begeistern. Und zwar nicht weil es pädagogisch sinnvoll ist oder weil das zu irgendetwas führt. Sondern weil es schon großartig genug ist, dazu in der Lage zu sein.
  19. Stell dir vor, du hättest einen Wunsch frei. Was würdest du dir wünschen?
    Und: Was würde sich die Träumerin wünschen?

    Ich würde mir definitiv wünschen, dass ich das Torbuch benutzen könnte wie die Träumerin. Dass sich Portale öffnen, wenn man den Weltenwanderer-Schlüssel dreht und man dann leibhaftig in diese Welten spazieren könnte. Das ist natürlich sehr magisch, ich hätte auch noch einen profaneren Wunsch auf Lager. Nämlich, dass ich noch lange lebe, um all die Geschichten schreiben zu können, die in meinem Kopf umherschwirren. Die zweite Frage ist schwer zu beantworten ohne zu viel zum Ende der Geschichte zu sagen. Dass die Wesen aller Welten das Träumen nicht verlernen und die Welt entdecken, die sich in ihnen verbirgt, fasst es wohl ganz gut zusammen.
  20. Was wünschst du dir für die Leser von ‚Die Träumerin und das Geheimnis des Weltenfressers‘?
    Ob es zerlesen und mit Eselsohren da liegt oder ordentlich in einem Regal steht, Hauptsache Menschen begeben sich auf die Reise zwischen die Seiten. Und wenn sie wieder daraus hervor kommen hoffe ich, dass ihnen die Reise gefallen hat und das sie mit den Charakteren verbunden sind und die Welten in ihren Köpfen lebendig geworden sind.